F*ck Up Stories Aachen
Company Edition
Aus Fehlern zu lernen ist eine der wichtigsten Fähigkeiten als Unternehmerin oder Unternehmer. Das gilt für Start-up-Gründerinnen und -Gründer wie für erfahrene Corporates. Warum also nicht diese negativen Erfahrungen austauschen?
Um einen offenen und ehrlichen Austausch zum Thema Scheitern zwischen den Großen der Branche auf der einen Seite und jungen Unternehmerinnen und Unternehmen sowie Gründungsinteressierten auf der anderen Seite zu gewährleisten, standen bei der letzten Ausgabe der Fuck Up Stories Aachen etablierte Unternehmen im Mittelpunkt, die die eine oder andere Begegnung mit dem Thema Misserfolg hatten. Die Vortragenden waren 4 erfahrene Vertreterinnen und Vertreter aus bekannten Branchenunternehmen: Gyvinne Koh, Gründerin und Geschäftsführerin von German Educare, Rolf Geisen, Inhaber der Alabon Business Development GmbH, Dr. Anne Völkel, Innovationsmanagerin beim VOSS Incubator, und Malte Pollmann, Chief Strategy Officer der Utimaco GmbH. Diese Expertenbesetzung entspricht einer Erfahrung von über 67 Jahren in 4 verschiedenen Branchen. Und das ist noch nicht alles: Mit Voss und Utimaco lernten die Teilnehmenden nicht nur von führenden Brancheninnovatoren, sondern begegneten virtuell auch zwei strategischen Partnern der RWTH Aachen, die im Rahmen einer Key-Account-Partnerschaft aktiv F&E-Projekte in Zusammenarbeit mit Hochschulforschenden verfolgen. Doch zur Wahrheit hinter diesen wirklich beeindruckenden Zahlen und Fakten gehört auch, dass es einige ernsthafte Rückschläge gab.
Was kann also im Big Business schief gehen? Unsere Vortragenden hatten eine Reihe sehr konkreter Antworten auf diese Frage:

Zum Beispiel Rolf Geisen, der Inhaber der Alabon Business GmbH, der einige Erfahrungen mit gescheiterten Versuchen gemacht hat. Der größte, so erzählte er dem virtuell zugeschalteten Publikum, war, als seine Firma vor Jahren einen Computer mit der gesamten Hard- und Software fertig gestellt hatte. Allerdings hatte man die Computerchips vergessen – und kein Geld mehr, um das zu ändern. Weil das Team um Geisen nicht bereit war aufzugeben, wurde es kreativ, überzeugte schließlich die Kundinnen und Kunden von der Wichtigkeit des Produkts und erhielt die Unterstützung, um die fehlenden Chips nachzurüsten. Rückblickend auf diesen und andere Misserfolge betonte Rolf Geisen die positiven Aspekte. Er würde nicht von Misserfolgen sprechen, sondern von strategischen Wendepunkten, die das Ergebnis zum Positiven veränderten. Geisens Rat an die interessierten Zuschauerinnen und Zuschauern: Beharrlichkeit, Geduld und ein intelligentes Team aus kreativen Köpfen mit komplementären Fähigkeiten.

Wie wichtig dieser letzte Punkt ist, wurde deutlich, als Gyvinne Koh, eine Mitgründerin von German Educare, die Bühne betrat. Die junge Frau, die aus Malaysia nach Aachen kam, um Ingenieurwissenschaften zu studieren, fragte sich, warum es nicht mehr Studierende aus Malaysia in Deutschland gibt. Nach Abschluss ihres Studiums beschloss Koh, ihr eigenes Unternehmen zu gründen – sie wollte helfen, mehr malaysische Studierende nach Deutschland zu bringen. Kurz nachdem sie vier Co-founder gefunden hatte, die bereit waren, das Unternehmen mit ihr aufzubauen, begann Kohs Geschichte des Scheiterns. Oberste Priorität hatte für die Jungunternehmerin immer die Qualität ihres Programms. Einer anderen Person im Team ging es jedoch nur um das Geld. Die Stimmung im Team kippte, die Co-founder stritten über Kleinigkeiten und verloren wichtige Zeit. Am Ende verließ jene Person das Unternehmen. Koh hat ihre Lektion gelernt. Zwar sei es richtig, dass mehr Leute mehr Ideen und mehr Input bedeuten, aber ein nachhaltiges Unternehmen zu führen, sei nur mit Gleichgesinnten möglich. Ihr Rat an junge Unternehmerinnen und Unternehmer, die nach Teammitgliedern suchen: Vorab ein Miniprojekt starten, um zu sehen, ob alle Personen die gleichen Ziele, Werte und Prioritäten haben.

Einen kürzlich gescheiterten Versuch präsentierte Dr. Anne Völkel, Innovationsmanagerin beim Voss Incubator, die ihre Geschichte einer gescheiterten Kickstarter-Kampagne erzählte, die erst letztes Jahr gestartet wurde. Im Jahr 2020 wollte sie eine neue Idee validieren, um das Marktpotenzial des Produkts zu testen. Auf der Suche nach Möglichkeiten, ehrliches Feedback zum Produkt und eine Vorstellung von der Nachfrage zu bekommen, entschied sich Völkel für Kickstarter, eine Crowdfunding-Plattform, und startete eine Kampagne zur Finanzierung der Entwicklungskosten. In Kickstarter sah Völkel ein geeignetes Mittel zur Marktvalidierung. Bald stellte sie jedoch fest, dass es sich weniger um ein geeignetes Mittel zur Marktvalidierung handelte, als vielmehr um eine Community-Plattform mit einer Marketingstrategie. Dadurch verlor sie nicht nur wertvolle Zeit, sondern verfehlte auch das Ziel. Völkels Lehre aus ihrer gescheiterten Kampagne ist daher, zukünftig besser vorauszuplanen, genauer auf die Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen und so viel Feedback wie möglich zu sammeln, auch über die sozialen Medien. Ihr Rat an junge Unternehmerinnen und Unternehmer lautet: Entscheidend ist es, die Community wie auch die Booster zu verstehen und nicht zu zögern, sich ehrliches Feedback von potenziellen Kundinnen und Kunden einzuholen.

Die wohl emotionalste Geschichte des Abends kam von Malte Pollmann, Chief Strategy Officer bei Utimaco, der erlebte, welchen Einfluss das Privatleben auf die berufliche Tätigkeit haben kann. Seine Firma Utimaco entwickelt Kryptographie-Lösungen, z. B. in Mautbrücken für die LKW-Maut. Irgendwann bemerkte das Unternehmen Probleme in den Systemen dieser Brücken, die zu vielen Ausfällen führten, und machte sich auf die Suche nach der Ursache. Schließlich wurden Miniaturkurzschlüsse entdeckt, verursacht durch Elemente, die in einem der manuell durchgeführten Produktionsschritte zu stark zusammengedrückt worden waren. Nach einigen Nachforschungen, die aufgrund einer unvollständigen Dokumentation durchgeführt werden mussten, wurde der betreffende Mitarbeiter identifiziert. In einem offenen Gespräch erfuhr Pollmann, dass sein Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Produktion Liebeskummer hatte, was wohl zur Entstehung der Fehler beigetragen hatte. Trotz seiner Fehler wurde der Mitarbeiter aber nicht als Schuldiger, sondern als Gewinner gesehen, da die Fehler zu wichtigen Verbesserungen im Dokumentationsprozess und im Qualitätsmanagement geführt hatten. Deshalb riet Pollmann jungen Unternehmerinnen und Unternehmern, Fehler als Lernchancen zu begreifen.
Erfolglose Kampagnen, fehlende Teile, manuelle Fehler, auseinanderbrechende Teams – die Bandbreite der negativen Erfahrungen zeigte unmissverständlich, wie viel auch in etablierten Unternehmen schief gehen kann. So schlimm die einzelnen Misserfolge auch erscheinen, die inspirierenden Geschichten der Vortragenden zeigen, dass es nicht auf die Fehltritte ankommt, sondern darauf, was man daraus macht. Alle vier waren sich einig: Wenn man bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen, wird der Fortschritt dadurch umso größer sein.
Wir möchten uns bei allen Vortragenden dafür bedanken, dass sie so offen über ihre Misserfolge gesprochen haben und mit ihren inspirierenden Geschichten dazu beigetragen haben, ein unternehmerisches Tabu zu brechen. Es war besonders beeindruckend zu sehen, dass unsere erfolgreichen KAM-Partner mit jungen und aufstrebenden Unternehmerinnen und Unternehmern in Kontakt treten und ihnen gegenüber auch über ihre Rückschläge offen sprechen. Anstatt Misserfolge aus der unternehmerischen Diskussion auszuschließen, sollten wir sie als das schätzen, was sie sind: Sie sind nicht nur Teil des Prozesses, sie sind Teil des Fortschritts.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Torsten Schröder und organisiert im Rahmen der Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW in Kooperation mit QuellPunkt, digitalHUB Aachen, AC.E - Aachener Entrepreneurship Team, Collective Incubator e.V., der Koordinierungsstelle "Zweifel am Studium" der FH Aachen und der Zentralen Studienberatung der RWTH Aachen University.
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Fuck Up StoriesTorsten Schröder

Entrepreneurial Manager
Business Relations Manager