Innovation Sprint 2021
Effektive Unterstützung für Gründungsvorhaben
Innovation Sprint als Brücke zwischen Forschung und Gründung

Im Rahmen der Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW wurde vor einem Jahr der RWTH Innovation Sprint entwickelt, ein Förderprogramm, das gründungsinteressierte Forschende in Kooperation mit einem Lehrstuhl oder einem Institut der RWTH dabei unterstützt, einen Prototyp zu entwickeln, um die Kommerzialisierbarkeit ihrer Forschungsergebnisse zu validieren. Dadurch soll die Einwerbung weiterer Fördergelder oder eine spätere Ausgründung maßgeblich erleichtert werden. Die Teams können eine Förderung von bis zu 90.000 € erhalten. Ziel dieser Maßnahme ist es, Forschende beim kritischen Schritt von der Forschung in die Anwendung effektiv zu unterstützen.
„Gerade in dieser Phase ist eine finanzielle Förderung wichtig, um durch die Entwicklung eines Prototyps herauszufinden, ob die Idee und das daraus entwickelte Konzept funktionieren kann. Eine positive Validierung kann wiederum dabei helfen, weitere Förderprogramme einzuwerben und somit eine entscheidende Hürde auf dem Weg zur erfolgreichen Gründung zu nehmen“, erklärt Begüm Guse, die Projektleiterin des Programms.
Die eingereichten Projekte der Gründungsteams werden von einem hochkarätigen, externen Gremium aus Forschung, Wirtschaft und Gründungscommunity evaluiert und final durch das Rektorat der RWTH Aachen University bewilligt.
Wegweisende Projekte mit hohem Innovationspotential
Der RWTH Innovation Sprint geht bereits in seine zweite Runde. Sechs vielversprechende Projekte wurden in diesem Jahr für die Förderung ausgewählt. Die förderfähigen Projekte stammen aus unterschiedlichen Fachbereichen und decken diverse Anwendungsfelder ab. Von der autonomen Paketlieferung aus der Luft und der Reduktion von Emissionen im Bereich Mobilität über die effiziente Überwachung von Gleitlagern und die kostenreduzierte Prozessautomatisierung in der additiven Fertigung bis hin zur Herstellung von umweltfreundlichen Biotensiden und zum Einsatz von Mikrorobotern gegen Viren. Im Folgenden stellen wir die ausgewählten Projekte kurz vor.
Urban Ray: Autonome Paketlieferung aus der Luft

Mit Urban Ray soll ein autonom und zuverlässig operierendes System für Lieferungen in städtischen Gebieten aufgebaut und etabliert werden. Das Konzept dient dem Aufbau eines dichten, anpassungsfähigen und zuverlässigen Netzwerkes für die Last-Mile-Zustellung von Paketen an Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Privatpersonen, das einen sicheren Betrieb bei einem niedrigen Preis pro Zustellung ermöglicht. Geschäfts- oder Privatkunden erfahren so eine im Vergleich zu herkömmlichen Zustellnetzen enorm reduzierte Dauer von der Bestellung bis zur Zustellung. Das mit Urban Ray angebotene System bringt im Vergleich zu herkömmlichen Zustellnetzen keine Unannehmlichkeiten oder zusätzlichen Kosten für Sender und Empfänger mit sich. Darüber hinaus legt Urban Ray in der Entwicklung durch den Fokus auf Sicherheit und niedrige Geräuschemissionen großen Wert auf gesellschaftliche Akzeptanz. Im Rahmen eines Pay-per-Use–Konzeptes können sowohl Großunternehmen mit bestehenden Logistikketten als auch der Einzelhandel als Versandkunden die Vorteile eines hochskalierbaren und flexiblen Zustellnetzes nutzen. Insbesondere besteht kurz- und mittelfristig der Bedarf für die schnelle und flexible Zustellung von medizinischen Gütern, Proben und Medikamenten. In systemrelevanten Infrastrukturen kann Urban Ray helfen, kritische Wartezeiten deutlich zu verkürzen.
Kontakt: Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme – Fakultät 4
Cem Uyanik
How2StorEnergy: Einstufiger Fertigungsprozess für geflochtene FVK-Drucktanks des Typs V

Im Zuge der Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit rückt die Nutzung von Wasserstoff als alternative Energiequelle immer stärker in den Vordergrund. Aufgrund der geringen spezifischen volumetrischen Dichte von Wasserstoff bedarf es jedoch hoher Drücke (bis zu 700 bar) zur Speicherung von Wasserstoff für die Nutzung im Mobilitätsbereich. Die heute verwendete Leichtbaulösung zur Speicherung von Gasen bei hohen Drücken sind FVK-Hochdrucktanks des Typs IV, die in einem 3-stufigen Fertigungsprozess entstehen. Neben den Fertigungskosten stellt das hohe Eigengewicht der Drucktanks vom Typ IV gegenüber einer reinen FVK-Lösung (Liner-los, mit gewichtsreduzierter Boss-Struktur) eine große Herausforderung für den serientauglichen Einsatz dieser Tankgeneration dar. How2StorEnergy will daher mithilfe eines innovativen Flecht- und Werkzeugkonzepts die 1-stufige Fertigung eines Drucktanks des Typs V umsetzen. Hierzu wird ein Prototyp eines Liner-losen Leichtbau-Hochdrucktanks, aufgebaut aus Carbonfaser-Thermoplast-Tapes, durch einen integrierten Flecht- und Konsolidierungsprozess entwickelt. Mit dieser Technologie unterstützt How2StorEnergy nicht nur die Reduktion von Emissionen innerhalb des Mobilitätsbereichs, sondern unterstützt auch den gesamtgesellschaftlichen Strukturwandel hin zu Nachhaltigkeit und erneuerbaren Energien.
Kontakt: Institut für Textiltechnik und Lehrstuhl für Textilmaschinenbau – Fakultät 4
Niels Grigat, Ben Vollbrecht, Fabian Jung, Kumar Jois
Acoustic Edge: Wirtschaftliche und kontinuierliche Überwachung von Gleitlagern
Die Vermeidung von unvorhergesehenen Gleitlagerausfällen, beispielsweise in Planetenstufen für Windenergieanlagen, ist mit existierenden Systemen zur Zustandsüberwachung nicht gewährleistet, da diese Systeme sind immer noch hauptsächlich auf Wälzlager und deren typische Schäden ausgerichtet sind. Für die Überwachung von Gleitlagersystemen wurde die hochfrequente Körperschallüberwachung (Acoustic Emission, AE) als geeignete Methode identifiziert, deren hoher Aufwand bei der herkömmlichen Signalverarbeitung und Schwingungsdiagnose in keiner Relation zum Nutzen steht. Acoustic Edge setzt deshalb auf eine Zeit-Frequenz-Transformation (Continuous Wavelet-Transformation, CWT) und Machine Learning-Methoden zur Analyse von AE-Signalen in einer Edge-Cloud-Umgebung, die zu erheblichen Verbesserungen in der Analyse bei gleichzeitiger Datenkomprimierung führen. Die beschriebene Methodik mit den Kernelementen AE-Signalmessung, CWT, Datenübertragung in eine Cloud und ML-Methoden ermöglicht somit eine wirtschaftliche, kontinuierliche Überwachung von Gleitlagern im Betrieb.
Kontakt: Institut für Maschinenelemente und Systementwicklung und Chair for Wind Power Drives – Fakultät 4
Florian König
PA Labs: WAAM-Steuerungsplattform für eine intelligente Produktion
Eine der Schlüsseltechnologien zur digitalisierten, effizienten und dezentralen Produktion von Bauteilen ist die additive Fertigung (Additive Manufacturing, AM). Das sogenannte Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) ist derzeit das vielversprechendste Verfahren für die kostengünstige additive Fertigung von metallischen Großbauteilen. Da es auf der Verwendung von Draht als Ausgangsstoff und der Nutzung eines elektrischen Schweißlichtbogens als Wärmequelle basiert, sind die Investitions- und Betriebskosten im Vergleich zu konkurrierenden Pulver-Laser-/Elektronenstrahl-basierten Verfahren deutlich geringer. Die hohe Prozessdynamik des WAAM stellt besondere Herausforderungen hinsichtlich der Beherrschbarkeit dar und verlangt vom Anlagenbediener ein hohes Maß an Expertenwissen. Derzeit verfügbare WAAM-Technologien übertragen lediglich bekannte Ansätze aus anderen AM-Verfahren und verhindern somit eine vollumfängliche Ausnutzung der Potenziale des bisher weitgehend unbekannten WAAM. Im Zentrum des Vorhabens von PA Labs steht ein Prozessautomatisierungssystem, das im Vergleich zu kommerziellen Technologien einen innovativen Ansatz zur dynamischen Prozessregelung verfolgt. Auf diese Weise will das Team einen Paradigmenwechsel in der additiven Fertigung von metallischen Großbauteilen einleiten.
Kontakt: Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF) – Fakultät 4
Samuel Mann
BioPHiel: Herstellung biologisch abbaubarer Biotenside für eine umweltschonende Produktion
Immer mehr Unternehmen entscheiden sich bei der Produktion ihrer Endprodukte für nachhaltige Alternativen und verwenden biologisch vollkommen abbaubare Biotenside und Plattformchemikalien. Genau hier setzt das Team von BioPhiel an, indem es ein neuartiges Biotensid bzw. eine neuartige Plattformchemikalie (HAA) auf den Markt bringen will. Der Vorteil von den HAAs ist, dass sie bei der Herstellung von verschiedenen Produkten (z. B. Kosmetika, Kunststoffe, Schmierstoffe etc.) eingesetzt werden können und dabei vollkommen biologisch abbaubar sind. Eine weitere Besonderheit ist die Verwendung von einem biotechnologisch weit entwickelten Mikroorganismus. So kann der Stamm genetisch modifiziert werden, um so ziemlich jedes Substrat (z. B. Zuckerrüben, Melasse, Plastikabfälle etc.) für die Herstellung von HAAs zu verwenden. Außerdem werden die HAAs bei der Fermentation von den Zellen ins Medium abgegeben. Somit kann ein kontinuierlicher Herstellungsprozess aufgebaut werden und gleichzeitig der Aufwand für die Aufreinigung reduziert werden. Da bei der Herstellung von derartigen Tensiden nachhaltige anstatt fossiler Kohlenstoffquellen verwendet werden, wird ein nachhaltiger Beitrag für die Etablierung einer zirkulären, biobasierten chemischen Industrie und somit einer besseren Umwelt geleistet.
Kontakt: Institut für Angewandte Mikrobiologie – Fakultät 1
Anatolij Baichenko
Anvives: Mikroroboter gegen Viren
Ähnlich wie das Coronavirus verursacht das Respiratory Syncytial Virus (RSV) jährlich viele Millionen viraler Atemwegsinfektionen. Dennoch wurde bisher kein Impfstoff oder eine Behandlung gegen RSV-Infektionen entwickelt. Um für die nächste Pandemie gerüstet zu sein, gilt es, die zeitaufwändige und schwerfällige antivirale Medikamentenentwicklung zu optimieren und zu beschleunigen. Das Ziel von Anvives ist es, Mikroroboter aus weicher Materie zu entwickeln, die den Menschen vor dem Virus schützen. Diese Mikroroboter werden so programmiert sein, dass sie wie ein „Pac-Man“ agieren, indem sie das Virus jagen und fressen. Sie können innerhalb weniger Monate gegen jede Art von Virus umprogrammiert werden. Der innovative Ansatz des Teams kann das Risiko für unerwartete Toxizität und Versagen während klinischer Studien senken, da nur ein kleiner Teil der Mikroroboter gegen ein neues Virus angepasst wird. Zunächst soll die Technologieplattform gegen Covid-19 optimiert und auf RSV-Infektionen ausgeweitet werden, um langfristig neuartige Behandlungen gegen diese Infektionen zu entwickeln.
Kontakt: DWI - Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und Lehrstuhl für Makromolekulare Materialien und Systeme – Fakultät 1
Nina Costina
Dank Innovation Sprint auf dem Weg zum Erfolg
Projektleiterin Begüm Guse zeigte sich begeistert von der Vielfalt der eingereichten Projekte und betonte die Wichtigkeit des Innovation Sprints als Unterstützung auf dem Weg zum Erfolg. Denn die Förderung der Projekte stellt nicht nur sicher, dass das Innovationspotenzial der Hochschule optimal genutzt wird, sondern treibt gleichzeitig die positive Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen voran.
Wie erfolgreich diese Unterstützung ist, beweisen die Teams aus der ersten Runde des Innovation Sprints. Die finanzielle Förderung hat die Teams sehr gut vorangebracht und die erwartete Hebelwirkung erzielt. Die Prototypen der Teams sind weit fortgeschritten. Die Teams evaluieren ihre Erkenntnisse und sind dabei, den nächsten Schritt anzugehen. Einige der Teams haben sich bereits für das nächste Förderprogramm beworben oder starten in Kürze. Auch wurde der Austausch mit industriellen Interessenten und mit einigen potenziellen Kunden ermöglicht. Beispielhaft sind hier die Start-ups BioThrust, InTraSens, IonKraft und phyphox zu nennen, die mithilfe des Innovation Sprints Prototypen ihrer Technologien entwickelt, ihre Gründung vorangetrieben und weitere Fördergelder eingeworben haben.