Interview mit einem Gründer
Nice to meet you, Bastian Baumgart!

Wenn man sich zehn Jahre lang mit voller Überzeugung für den Wandel in der eigenen Branche einsetzt, kann es passieren, dass man sich vom Intra- zum Entrepreneur entwickelt. Nice to meet you, Bastian Baumgart!
Bastian ist zu einer Zeit des Umbruchs in die Energiewirtschaft eingestiegen. Während seines Studiums zum Wirtschaftsingenieur kam es durch die Liberalisierung der Energiemärkte zu Paradigmenwechseln wie dem starken Ausbau von erneuerbaren Energien. In den letzten Zügen seines Studiums fing Bastian damals bei der Trianel GmbH in Aachen an, der führenden Kooperation von Stadtwerken in Europa. Dort hat er sich über ein Jahrzehnt mit Innovationsthemen der Branche auseinandergesetzt und sich so zum Intrapreneur entwickelt. Besonders gereizt hat ihn dabei die Erkenntnis, dass Industriekunden sich zwar sehr für günstige Energiebeschaffung interessieren, aber grundlegendes Wissen über Energiemärkte häufig fehlt. Mal sehen, was er daraus gemacht hat!
Marina: Ok, Bastian, wie kommt man nach 10 Jahren Industrieerfahrung auf die Idee, sich mit seiner eigenen Idee selbstständig zu machen?
Bastian: Mich hat immer schon angetrieben, neue Ideen zu entwickeln, Innovation zu treiben, und verrückte Themen anzugehen. Ich gehörte also immer schon zu den internen „Spinnern“ (lacht). Im Rahmen meiner Promotion habe ich mich dann mit Industrieflexibilität beschäftigt und wollte passende Geschäftsmodelle entwickeln. Da innerhalb meiner Festanstellung der Raum für innovative Modelle irgendwann nicht mehr ausreichte, habe ich Ende 2017 ein EXIST-Stipendium mit Unterstützung des RWTH Gründerzentrums beantragt. Ich war überzeugt, dass die Rahmenbedingungen stimmen: die Idee für das Produkt, das Team, der Ausblick, etc.
Ab 2018 habe ich mit zwei weiteren RWTH-Absolventen die Mission verfolgt, kundenorientierter, fokussierter und agiler zu sein als andere Lösungsanbieter im Bereich Energiewirtschaft. Heute sind wir zu einem Team von 11 Mitarbeitern gewachsen und haben im ersten Jahr EXIST-Stipendium ein vertriebsfertiges Produkt entwickelt, das inzwischen von namhaften Industriekunden wie der Freudenberg Gruppe oder Stahlwerken genutzt wird. Auch mit der Trianel GmbH kooperieren wir regelmäßig bei innovativen Fragestellungen.
Marina: Das klingt spannend! Ich habe dir heute einige Fragen mitgebracht, damit wir dich und deinen Weg besser kennenlernen können:
7 Fragen an einen Entrepreneur
1) Wie bist du auf die Idee für EnergyCortex gestoßen?
Bastian: Wir hatten damals festgestellt, dass Industriekunden ein anderes Vokabular benutzen als wir in der Energiewirtschaft. Der Fokus lag dort häufig auf der Produktion und nicht darauf, Potenziale zur Senkung von Energiekosten zu heben. Deswegen haben wir uns zum Ziel gesetzt, eine Plattform aufzubauen, die einen Dreiklang an Lösungen abdeckt: Daten besitzen, diese zu plausibilisieren und zu analysieren – und das voll automatisiert und digitalisiert. Das Ziel hierbei ist es, Energie und Energiekosten einzusparen.
2) Wann wusstest du, dass du gern ein Gründer sein wolltest?
Bastian: Ich habe tatsächlich nicht schon immer davon geträumt, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Ich wusste ja nicht, was die Welt für mich bereithält. Der Energiemarkt hat sich im Laufe meines Studiums und Jobeinstiegs sehr stark gewandelt: erneuerbare Energien – neue Geschäftsmodelle – neue gesetzliche Rahmenbedingungen. Da musste man schnell lernen, Chancen zu erkennen. So wurde ich dann zum Intrapreneur und habe versucht, aus den neuen Möglichkeiten Geschäftsmodelle zu entwickeln. Als Innovationsprozesse intern nicht weiter gingen, habe ich das als Chance für mich persönlich gesehen, diese selbst in die Hand zu nehmen und mich damit selbstständig zu machen.
3) Wie wird man deiner Meinung nach zu einem guten Gründer bzw. welche Eigenschaften sollte man mitbringen?
Bastian: (lacht) Man muss sehr selbstbewusst sein, an seine Idee glauben und sich gegen diverse Widerstände durchsetzen. Als ich noch festangestellt war, waren die emotionalen Highlights überschaubar: das Erreichen eines Bonus-Ziels oder das Gewinnen eines neuen Kunden. Die Abhängigkeit von Erfolg und Misserfolg war eine ganz andere. In der Selbstständigkeit haben Erfolge und temporäre Rückschläge einen viel größeren Impact. Zeitgleich muss man stets geduldig sein, man muss immer einen Plan B haben und im Sinne der Mitarbeiter und des Unternehmens handeln. Man hat ein ganz anderes Maß an Verantwortung.
4) Was ist deine größte Motivation? Was treibt dich am meisten an, weiter zu machen?
Bastian: Ich möchte Dinge gestalten. Natürlich ist auch für mich Arbeiten ein Instrument, um das Gehalt nach Hause zu bringen – aber mit meinem Start-up kann ich hoffentlich auch meinen Teil zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen. Wenn wir es schaffen, dass unsere Kunden Kosten reduzieren, stärken wir dabei die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland. Durch unsere Lösungen im Bereich Anomalie-Detektion können wir einen Beitrag dazu leisten, dass bewusster mit Energie umgegangen und das Thema Nachhaltigkeit mehr in den Vordergrund gerückt wird. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass auch dabei wieder Kosten gespart werden.
5) Was hättest du gern gewusst, bevor du dich auf den Weg gemacht hast?
Bastian: Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn bereits Erfahrungen im Vertrieb gesammelt – aber ich war dabei in einem namhaften Unternehmen mit breiter Gesellschafterbasis angestellt. Da waren die Türen schnell offen. Jetzt komme ich von einem Start-up, das noch kaum einer kennt – da muss man sich weitaus mehr beweisen und ganz andere Hürden nehmen. Die Welt da draußen ist einfach anders! Aber durch Selbstbewusstsein und ein gutes Produkt kann man das auch ein Stück weit wettmachen.
6) Wie geht es nun weiter? Wo siehst du deine Innovation in zehn Jahren?
Bastian: Wir möchten DIE Energiedatenplattform sein, die Verbraucher aber auch Erzeuger wie erneuerbare Energien- und KWK-Anlagen zunächst in Deutschland, Europa und dann in der ganzen Welt betreut. Wir möchten dabei transparent und unabhängig bleiben. Die Daten sollen den Kunden automatisiert und analysiert zur Verfügung gestellt werden, um Kosteneinsparungspotentiale zu verwirklichen. Stand heute sind wir im Bereich Strom und Gas aktiv, wollen unsere Lösung aber auch auf andere Felder wie Wärme und Wasser ausweiten. Als Standort wollen wir auf jeden Fall in Aachen bleiben. Aachen hat einen Namen in der Start-up Szene – vor allem im technischen Bereich.
7) Was hat die RWTH getan und kann sie weiterhin tun, um Erfinder und Entrepreneure wie dich zu fördern?
Bastian: Ich fand die Betreuung im Rahmen des EXIST-Antrags extrem hilfreich. Wir hatten die Möglichkeit, auf das Netzwerk, die Professoren und Lehrstühle zurückzugreifen. Im Rahmen des EXIST-Mentoring-Programms haben wir viel über Themen wie Steuern und Vertragswesen gelernt. Außerdem ist die Auszeichnung mit dem RWTH Spin-off-Award für uns und die Marke EnergyCortex extrem wertvoll.
Einen Aspekt, den ich darüber hinaus spannend gefunden hätte, wäre die Möglichkeit, seine Produkte innerhalb der Infrastrukturen der Hochschule zu verproben. Ich habe aber gehört, dass sich dies bezogen einiges im Rahmen der Exzellenz Start-up Center-Initiative und den Fachinkubatoren tun wird…
Marina: Ganz vielen Dank für das Gespräch, Bastian! Gibt es noch etwas, dass du anderen Entrepreneuren mit auf den Weg geben möchtest?
Bastian: Traut euch was, lasst euch challengen! Ideen müssen mehrfach iteriert und diskutiert werden. Man sollte zwar selbstbewusst zu seiner Idee stehen, aber natürlich auch auf Feedback von erfahrenen Leuten hören. Holt euch ehrenamtliche Unterstützer, zum Beispiel über den AC2 Businessplan Wettbewerb in Aachen. So bekommt ihr ehrliches Expertenwissen und das bringt euch viele Schritte weiter.
Bastian würde auch gern als Ansprechpartner für neue Gründer zur Verfügung stehen und sich mit Start-ups vernetzten, die auch in der Energiebranche Fuß fassen wollen. Wenn ihr mit ihm in Kontakt treten möchtet, schreibt uns gern eine E-Mail an: communications@rwth-innovaton.de
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