Interview mit einer Erfinderin
Nice to meet you, Dr. Valentine Gesché!
Valentine gewann kürzlich gemeinsam mit ihrem Forschungsteam für ihre neu entwickelte Technologie im Bereich Medizintechnik den Innovationspreis des Landes NRW in der Kategorie „Nachwuchs“, sowie den AC2 Business Plan Wettbewerb der Gründerregion Aachen. Bereits seit sie 14 ist, träumt Valentine davon, einmal ihr eigenes Unternehmen zu gründen… Mit ihrem Gründungsvorhaben PerAGraft steht sie heute an der Schwelle zur Verwirklichung dieser Vision. Grund genug, uns einmal mit ihr über ihre weiteren Pläne auszutauschen…
Studiert hat sie Maschinenwesen an der TU München mit den Schwerpunkten Kunststofftechnik und Medizintechnik und begann anschließend im September 2010 am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen ihre Promotion im Bereich patientenindividualisierter textiler Implantate. Ihr Doktorvater Professor Stefan Jockenhövel vom Helmholtz-Institut für Angewandte Medizintechnik hat ihr im Rahmen seiner Brückenprofessur dabei das notwendige medizinische Wissen nahegebracht, um eine Innovation an der Schnittstelle zwischen Textiltechnik und Medizin zu entwickeln.
Marina: Erzähl uns doch gern einmal genauer, was für eine neue Technologie du entwickelt hast…
Valentine: Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Ich habe ein Verfahren entwickelt, mit dem es erstmalig möglich ist, innerhalb von kürzester Zeit patientenindividualisierte Implantate, sogenannte „Stentgrafts“ herzustellen. An den Stellen im Körper, wo individuelle Elemente notwendig sind (z. B. an der Aorta m Bereich der Nierenabgänge) werden heute noch manuell gefertigte Implantate eingesetzt, die aufwendig an die patientenspezifischen Gegebenheiten angepasst werden. Wir haben nun einen automatisierten Prozess entwickelt, mit dem ein individuelles Implantat innerhalb von kürzester Zeit realisierbar ist. Unser Lieferversprechen ist, in unter einer Woche auszuliefern. Das kann Leben retten. Wir setzen dabei auf eine Kombination einer durchgängigen digitalen Prozesskette von der Klinik, also vom Erhalt des patientenindividuellen medizinischen Bilddatensatzes, bis hin zum fertigen Implantat.
Marina: Das klingt ja ganz nach „Internet der Medizin“ – beeindruckend! Du hast mit deinem neuen Ansatz scheinbar nicht nur die Kollegen an den Lehrstühlen und die Ärzte in den Kliniken überzeugt, sondern auch die Jury des Innovationspreises des Landes NRW. Wie kam es dazu?
Valentine: Beim Innovationspreis wurde mir von Seiten der Hochschule empfohlen, eine Bewerbung einzureichen. Trotzdem haben ich und mein Team nie damit gerechnet, dass wir hier gewinnen könnten. Das ist wirklich etwas Einmaliges und hat uns in Sachen Sichtbarkeit und Netzwerk enorm geholfen.
Beim AC2 Businessplanwettbewerb der Gründerregion haben wir dann mitgemacht, weil wir gezielt an unserem Businessplan arbeiten wollten. Die Aussicht über die gesamte Wettbewerbsphase einen Mentor gestellt zu bekommen und Teil eines riesigen Netzwerks in der Region zu werden, hat uns überzeugt. Der Erfolg beim Wettbewerb bedeutet uns sehr viel, da es uns als Team bestätigt und uns zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Marina: Prima. Ich habe ein paar Fragen an dich mitgebracht, um deine Technologie, deine Motivation und Ziele besser kennenzulernen. Los geht’s!
7 Fragen an eine Erfinderin
1) Wie bist du auf die „Stentgraft“-Innovation gestoßen?
Valentine: Es waren damals zwei Zufälle, die zusammenkamen. Ich habe mich um die Anschaffung einer neuen Maschine am Institut gekümmert und parallel gab es einen spannenden Aufruf zum Thema personalisierte Medizin. Der ungedeckte klinische Bedarf im Bereich individualisierter Gefäßprothesen bot sich hier an. Die Thematik der patientenindividualisierten Versorgung hat mich sofort fasziniert. Mit der Unterstützung meiner damaligen Abteilung habe ich dann das Konsortium zusammengestellt und anschließend den Antrag geschrieben. Dieser wurde bewilligt und damit war das Thema sozusagen besiegelt.
2) Wie kommt man mit 14 auf die Idee, gründen zu wollen?
Valentine: (lacht) Ich hatte schon immer eine Affinität zur Technik. Der Vater einer sehr guten Freundin hatte damals verschiedene Unternehmen, davon war ich beeindruckt. Er hat mich dann häufiger in die einzelnen Unternehmen mitgenommen und ich fand es spannend, wie er das alles aufgebaut hat. Es war sozusagen sein persönliches Werk. Mir geht es mit der eigenen Gründung darum, etwas nach den eigenen Werten und Vorstellungen zu erschaffen und aufzubauen. Das treibt mich an. Den Fokus lege ich dabei auf hochqualitative Produkte und eine besondere Unternehmenskultur. Unser Ziel ist es, neue Lösungen zu entwickeln, mit denen wir dazu beitragen Menschenleben retten zu können.
3) Wie wird man deiner Meinung nach eine gute Erfinderin bzw. welche Eigenschaften sollte man mitbringen?
Valentine: Bei aller Bescheidenheit, wir haben ja noch kein erteiltes Patent, da befinden wir uns noch im Prozess. Aber meine spontane Antwort aus dem Bauch heraus: durch Begeisterung und Leidenschaft. Wer sich für ein Thema begeistern kann und nach neuen Lösungen strebt, dem werden auch die guten Ideen kommen.
4) Was ist deine größte Motivation? Was treibt dich am meisten an, weiter zu machen?
Valentine: Meine größte Motivation ist die Faszination für den menschlichen Körper, seinen Aufbau und seine Funktionsweise verstehen zu wollen und dies zu nutzen, um „Ersatzteile“ entwickeln zu können. Für unser erstes Produkt, den PerAGraft-Stentgraft haben wir unwahrscheinlich gutes Feedback von Seiten unserer Zielgruppe, also den Ärzten, bekommen: „Das ist richtig gut, das brauchen wir!“
Außerdem begeistert mich wie gesagt der Aspekt der Individualisierung für eine bessere Patientenversorgung. Als ich mit meiner Promotion angefangen habe, war das Thema der Patientenindividualisierung noch nicht so in aller Munde, das hat mich gereizt. Ich habe mich gefragt, wie ich durch maßgeschneiderte Lösungen einen Mehrwert für den Patienten schaffen kann.
5) Was hättest du gern gewusst, bevor du dich auf den Weg gemacht hast?
Valentine: (lacht) Das ist eine amüsante Frage, auf die ich nicht direkt eine Antwort habe. Natürlich gab und gibt es immer mal Zweifel, Stolpersteine und Rückschläge. Das höhere Ziel war mir aber immer klar und irgendwann ergibt alles einen Sinn. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich in der Forschungszeit sehr viel gelernt habe und das hilft meinem Team und mir jetzt bei der Realisierung unseres eigenen Unternehmens.
6) Wie geht es nun weiter? Wo siehst du deine Innovation in zehn Jahren?
Valentine: Das Ziel wird immer das gleiche bleiben: Ich möchte Innovationen in die Kliniken bringen, also den Transfer aus der Forschung in die Klinik realisieren. Ob das nun im Rahmen dieses Themenfeldes ist oder innerhalb eines anderen. Auf jeden Fall am liebsten im eigenen Unternehmen. Ein fixes Ziel habe ich allerdings für PerAGraft: 2023 soll das Produkt auf dem Markt sein. Das ist unser wichtigster Meilenstein und gleichzeitig unser Antrieb.
7) Was hat die RWTH getan und kann sie weiterhin tun, um Erfinder und Entrepreneure wie dich zu fördern?
Valentine: Was mich an der RWTH begeistert hat, ist die vorherrschende Interdisziplinarität, die ich erleben durfte. Durch die Brückenprofessur zwischen dem Institut für Textiltechnik (ITA) und dem Institut für Angewandte Medizintechnik (AME) habe ich gelernt, was es heißt, mit Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen und Fachrichtungen, z.B. Informatikern, Biologen oder Medizinern, zusammenzuarbeiten. Das war jeden Tag spannend, weil es zunächst einmal immer wieder darum ging eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Hier in Aachen am Campus Melaten ist alles sehr nah beieinander und so kann die Expertise der unterschiedlichen Disziplinen zielführend zusammengebracht werden. Jörg von Appen und Alan Mertens von der RWTH Innovation sind meine erste Anlaufstelle, Betreuer und Unterstützer beim Prozess der Patentanmeldung und der Übertragung des entstandenen IP. Natürlich haben wir Jörg dann auch mit nach Düsseldorf zur Verleihung des NRW Innovationspreises genommen. Ich freue mich darüber, dass die Angebote für das Unterstützungsprogramm für Start-ups im Rahmen des Exzellenz Start-up Centers jetzt ausgebaut werden und bin sehr gespannt zu sehen, was hier entstehen wird, um eine starke Gründerkultur und eine starke Vernetzung aller wichtigen Akteure zu etablieren. Als PerAGraft freuen wir uns, Teil des RWTH-Start-up-Ökosystems zu sein. Wir sind neugierig auf die Weiterentwicklung und die Angebote, die im Rahmen des Exzellenz Start-up Centers kommen werden, um die Gründerkultur an der RWTH zu fördern und uns als Start-up in unserer Entwicklung zu unterstützen.
Vielen Dank für das tolle Gespräch, Valentine! Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit dir und verfolgen gespannt deinen Weg zum eigenen Unternehmen.