PHYPHOX
PHYSIK AUF DEM SMARTPHONE HAUTNAH ERLEBEN
Social Entrepreneurship aus Aachen im Einsatz für internationale Bildungsgerechtigkeit
Physik ist, was immer und überall um uns herum passiert. Gemessen werden kann sie jedoch nur mithilfe aufwendiger, teurer und schwierig zu bedienender Geräte. Oder etwa nicht?
Smartphones in der Physik – Messgeräte to go
„Nein“, sagt Prof. Christoph Stampfer, Leiter des II. Physikalischen Instituts A der RWTH Aachen University, „die meisten von uns haben ein extrem genaues und äußerst vielseitiges Messgerät immer und überall bei sich: ihr Smartphone“.
Der Grund: Smartphones verfügen über eine ganze Reihe standardmäßig verbauter Sensoren, wie z.B. Beschleunigungssensor, Magnetfeldsensor, Drehratensensor, Lichtsensor, Luftdrucksensor, Näherungssensor, GPS, Mikrofon oder Bluetooth für benutzerdefinierte Geräte. Aus der Beobachtung dieser technischen Gegebenheiten entstand so im Jahr 2015 die Idee, die bereits vorhandenen Sensoren moderner Smartphones für physikalische Experimente nutzbar und damit abstrakte physikalische Vorgänge für eine breitere Öffentlichkeit fassbar zu machen. Die Idee der App „phyphox“, kurz für „physical phone experiments“, war geboren.
Physikalische Experimente in Schule und Universität – Machen statt Zusehen
Mit der stetig steigenden Komplexität moderner Technologien wächst auch die Bedeutung eines soliden naturwissenschaftlichen Grundverständnisses. Der Erwerb solcher Kenntnisse stellt nicht nur die junge Generation vor besondere Herausforderungen, sondern verändert auch die Anforderungen an die Lehre. Um genau diesen Schwierigkeiten begegnen zu können, lag der Fokus von phyphox von Beginn an auf der schulischen und universitären Vermittlung physikalischer Kenntnisse. Das Ziel: Kinder, Jugendliche und Studierende zu wahren Entdeckern zu machen – ohne aufwendige, teure, komplizierte Geräte, immer und überall. Der didaktischen Entwicklung weg vom Frontalunterricht hin zu effektiveren kooperativen Unterrichtsformen entsprechend können Lehrkräfte mit phyphox nun physikalische Zusammenhänge und wissenschaftliche Arbeitsweisen aktiv vermitteln. An die Stelle einer frontalen Demonstration durch die Lehrperson tritt die selbstständige Durchführung physikalischer Experimente durch die Schülerinnen und Schüler bzw. Studierenden.
Made in Aachen – Designed for the World
Die 2015 von Dr. Sebastian Staacks am II. Physikalischen Institut A unter Prof. Christoph Stampfer und unter der didaktischen Führung von Prof. Heidrun Heinke an der RWTH Aachen University entwickelte App stößt in der Öffentlichkeit auf großes Interesse. Der Beweis: Fünf Jahre nach Beginn des Projekts kann phyphox bereits mehr als 1,3 Millionen Installationen verzeichnen. Und damit nicht genug: Die App wurde von Freiwilligen aus aller Welt in über 20 Sprachen übersetzt und wird von 51 phyphox-Botschaftern weltweit in den jeweiligen Regionen unterstützt. Die unter einer Open-Source-Lizenz veröffentliche App ist für Smartphones mit Android oder iOS verfügbar und für den Nutzer komplett kostenlos. Und das soll auch so bleiben.
Ein Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit
Aufgrund der großen Nachfrage plant das inzwischen vergrößerte Team von phyphox nun, das Potential der App durch die Entwicklung eines externen Sensorboxensets auszubauen. Durch die Teilnahme am RWTH Innovation Sprint – einem Förderinstrument der RWTH Innovation zur Entwicklung von Prototypen im Rahmen des Projektes „Exzellenz Start-up Center.NRW“ für mehr Gründungspotential an der RWTH – will das Team von phyphox diesen Schritt realisieren. Je nach Themengebiet sollen im Unterricht so flexibel einsetzbare Sensorboxen per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden werden können, um beispielsweise die Phasenverschiebung von Spannung und Strom zu beobachten oder die Herzfrequenz durch Fotodiode und LED zu bestimmen. Auch für die Sensorboxen gilt: Je günstiger, desto besser. Das Team von phyphox möchte so einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit, auch in Entwicklungsländern, leisten.
Die Vision: „Durch den Einsatz von phyphox sollen auch dort Physikexperimente durchgeführt werden können, wo Gelder für den Schulunterricht knapp sind“, so Dr. Sebastian Staacks.
Der Vertrieb des Sensorboxensets soll dementsprechend lediglich als finanzielle Basis für den nachhaltigen Betrieb der App dienen, wie Prof. Stampfer erklärt:
„Unser vorrangiges Ziel ist es möglichst viele Kinder und Jugendliche für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern und die MINT-Bildung zeitgemäßer und attraktiver zu gestalten.“
Die RWTH Innovation unterstützt und begleitet das Team von phyphox dabei, das unternehmerische Potential zu heben, ein Geschäftsmodell zu entwickeln und so seine App einer breiteren Öffentlichkeit zugängig zu machen. Technologietransfer soll Nachhaltigkeit schaffen und gute Ideen aus der Hochschule in die Gesellschaft überführen. Wir sind stolz, Teil der Geschichte eines solch inspirierenden Beispiels für Social Entrepreneurship zu sein und verfolgen gespannt die weitere Entwicklung von phyphox.