Virtuelle Klimatisierung von Großbauteilen
Herausforderung
Die gängigsten Materialien im Maschinenbau, wie Stahl, Aluminium und Grauguss, weisen einen Wärmeausdehnungskoeffizienten auf, der bei Bauteilen mit kleinen Toleranzen und/oder großen Abmessungen zu signifikanten Maßänderungen während der Fertigung oder geometrischen Prüfung führt, wenn die Bauteiltemperatur nicht der Bezugstemperatur - in der Regel 20 °C - entspricht. Daher wird oftmals die Bauteiltemperatur gemessen, um damit die temperaturbedingte Maßänderung zu korrigieren. Dabei geht man stillschweigend von einer homogenen Temperaturverteilung im Bauteil aus. Die thermoelastische Verformung von Bauteilen lässt sich jedoch nicht ausschließlich durch punktweises Messen der Temperatur bestimmen, da die Verteilung der Temperatur im Bauteil aufgrund von zeitweiligem Wärmeeintrag (z.B. bei der Bearbeitung) oder Wärmeabfuhr durch Konvektion und Strahlung instationär und inhomogen sein kann. Ein stationärer und homogener Zustand stellt sich bei großen, massiven Bauteilen in klimatisierter Umgebung nur sehr langsam ein. So benötigen z.B. Abtriebsachsen von Windkraftanlagen zur Temperaturstabilisierung erfahrungsgemäß mehrere Tage bis Wochen, so dass eine lange Wartezeit bis zur geometrischen Prüfung eng tolerierter Maße eingeplant werden muss. Während dieser Zeit muss das Bauteil in der Regel auf der Maschine im klimatisierten Fertigungsumfeld verbleiben, da ein Transport aufgrund des hohen Gewichts und der Größe sehr aufwendig ist oder ein entsprechend großer Messraum mit geeigneten Geräten nicht existiert. Zudem wird man aus fertigungstechnischen Gründen vermeiden, die Einspannung des Bauteils auf der Maschine zu lösen, solange der Fertigungsprozess nicht abgeschlossen ist. Die Zeit bis zur vollständigen Temperierung kann wegen der notwendigen langen Maschinenstillstandszeit, fehlender Lagerkapazitäten oder anstehendem Auslieferungstermin nur selten eingehalten werden, sodass die Fertigung und Messung mit erhöhter Unsicherheit behaftet sind, was von Seiten der Qualitätssicherung in der Regel nicht toleriert werden kann.
Lösung
Kleine, industrietaugliche Temperatursensoren, die an vielen Stellen mit Magnetkraft am Bauteil haften, messen die Temperatur an der Bauteiloberfläche ggf. auch während des Fertigungsprozesses und senden ihre Messwerte per Funk. Die optimalen Positionen aus einer minimalen Anzahl von Temperatursensoren werden mit Hilfe des CAD-Modells des Bauteils von der Software ermittelt.
Die aktuelle und zum nächsten, zukünftigen Mess-Zeitpunkt bestehende Temperaturverteilung auf der Bauteiloberfläche und im Bauteilinneren wird über ein integriertes Modell berechnet, das wiederum über die periodischen Temperaturmessungen iterativ gespeist und optimiert wird. Auf Basis der berechneten Temperaturverteilung wird die 3D-Verformung des Bauteils in Bezug auf die homogene Bezugstemperatur in Echtzeit laufend neu bestimmt. Die Software liefert für jeden aktuellen und zukünftigen Zeitpunkt ein CAD-Modell des verformten Bauteils sowie ein Korrekturvektorfeld in einem standardisierten, industrieüblichen Datenformat.,
Vorteile
- Einsparung von Maschinenzeit
- Verzicht auf Klimatisierung von Fertigungs- und Prüfräumen
- Verminderung der temperaturbedingten Messunsicherheit
- Vermindertes Risiko, Fehlteile zu produzieren und solche nicht zu identifizieren
Status
- Patentanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt. Patentanmeldung ist noch nicht offengelegt. Aus der noch nicht offengelegten Patentanmeldung lassen sich für die RWTH Aachen keine Rechte gegenüber Dritten herleiten.
- Entwicklungsstand: Prototyp und Scale-up
RWTH Aachen University ist auf der Suche Forschungspartnern für Entwicklungskooperationen
RWTH Technology #2022
Anwendungsgebiete Energieanlagen-Fertigung, Großbauteil-Fertigung, Fertigungsmesstechnik
Stichworte #Temperaturkompensation, #Großbauteile, #Längenausdehnung, #Temperaturverformung